Donnerstag, Februar 19

Von Äpfeln und Birnen

Hausübungen werden hier so regelmäßig und in solchen Umfang vergeben, dass es unmöglich ist diese immer genau zu korrigieren. Es ist gängige Praxis, dies nur gelegentlich und auszugsweise zu tun. Die zweite Hausübung der Klasse in Wahrscheinlichkeitstheorie korrigiere ich also ausnahmsweise genauer, einfach um zu wissen, wo die einzelnen Studierenden stehen. Wer bei der Hausübung zeigt, dass er sich selbständig mit den Problemen auseinandergesetzt hat, bekommt eine positive Beurteilung, unabhängig davon, ob die Ergebnisse richtig sind.

Studierende, die nicht regelmäßig mitlernen, bekommen oft negative Noten. Aber ich lege den Schwierigkeitsgrad einer Lehrveranstaltung immer so an, dass auch die schwächsten Studierenden eine positive Note bekommen können, sofern sie das ganze Semester hindurch hart arbeiten. Was den Glauben an die Lernfähigkeit des Menschen betrifft, bin unverbesserlicher Optimist.

Nach der ersten kleinen Prüfung lade ich die schwächeren Studierenden in meine Sprechstunde um nach einem Gespräch den Zug wieder aufs richtige Gleis zu setzen. Eine asiatische Studentin hat sich mit großem Eifer über die Hausübung gemacht und dabei, so wie bei der Prüfung, seitenweise nur Unsinn fabriziert. In der Sprechstunde kläre ich erst ab, was sie studiert, ob sie schon jemals mathematische Kurse absolviert hat, ob sie berufstätig ist und wie weit sie Probleme mit der englischen Sprache hat. Nicht berufstätig, Calculus Eins positiv absolviert, Englisch ausreichend. Soweit, so gut.

Also machen wir uns an die Hausübungsbeispiele. Wenn ein roter und ein blauer Würfel geworfen werden, wieviele mögliche Resultate gibt es? Wenn der rote auf der Eins landet, gibt es für den blauen sechs Möglichkeiten. Wenn rote auf der Zwei landet, gibt es für den blauen wieder sechs Möglichkeiten. Also haben wir schon 12. Am Ende kommen wie auf insgesamt sechs mal sechs, also 36 Möglichkeiten.

In einem Geschäft kann man drei Sorten Obst, nämlich Äpfel, Birnen und Melonen kaufen, und zwar jeweils in den vier Farben gelb, grün, braun und rot. Das sind vier verschiedene Apfelsorten, vier verschiedenen Birnen- und vier verschiedene Melonensorten. Also insgesamt drei mal vier, das heißt 12 verschiedene Sorten.

Und jetzt gehen wir in ein Kaffeehaus, wo fünf verschiedene Getränketypen verkauft werden, und zwar in kleinen, mittleren und großen großen Bechern. "Wieviele verschiedene Getränke sind das?" richtet sich diesmal die Frage an die Studentin. "Acht." - "Warum acht??" - Sie blickt mich stolz und zuversichtlich an: "Weil fünf plus drei ist acht!" Ich flehe sie an: "Aber vorhin haben wir das doch anders gerechnet." - lange Pause - "Ich weiß nicht, ich verstehe das nicht. Ich versteh das einfach nicht." Schockiert starre ich sie an. Hunderte Gedanken rasen gleichzeitig durch meinen Kopf: "Du darfst niemals ungeduldig werden - du darfst niemals einem Studierenden sagen, er soll etwas anderes studieren - du darfst niemals einem Studierenden sagen, dass er dumm ist - vielleicht ist sie nur so nervös? - Nein, das kann nicht sein, sie hat ja bei der Hausübung auch nichts verstanden. - Hilfe! Hilfe! Was soll ich jetzt machen? Am Ende des Semesters muss ich den zentralen Grenzwertsatz unterrichten. Wie soll das jemals funktionieren? Auch wenn sie noch so fleißig ist..." Ich würge meine Gedanken ab, versuche meinen Schock zu verbergen, setze einen möglichst gleichgültigen Gesichtsausdruck auf und sage ganz ruhig zu ihr, so als wäre nichts gewesen: "Also. Wir haben fünf Getränketypen und drei Bechergrößen: small, medium und large. Wieviele verschiedene small Drinks kann ich bestellen." - "Fünf." - "Richtig." - "Und wieviele in medium?" - "Auch fünf." - "Richig." - "Das sind dann zusammen?" - "Zehn." - "Richig." - "Wenn das jetzt schon zehn sind, dann können es aber insgesamt nicht acht sein." Das gibt ihr zu denken. "Dann sind es insgesamt fünfzehn." - "Sehr gut! Und wie haben Sie das berechnet?" - "Fünf plus fünf plus fünf." - "Sehr gut! Also bei drei Bechergrößen und fünf Getränketypen gibt es drei mal fünf Möglichkeiten". - "Ich denke, ich habs jetzt." Zur Sicherheit überprüfe ich das noch einmal anhand eines anderen Beispiels, und siehe da, sie hat es verstanden.

Mit auf den Weg nach Hause gebe ich ihr die dringende Anordnung, sie möge sich auf den nächsten Test zusammen mit anderen StudentInnen vorbereiten und sich die relevanten Beispiele erklären lassen. Ein Kollege, bei dem ich mich nach diesem Erlebnis am Nachmittag ausweine, meint, es könne ja einfach daran liegen, dass die Studentin noch nie mit so eine Art von Mathematik konfrontiert wurde, bei der es um Texte und Verständnis geht. Da mag er Recht haben. In manchen Schulen bedeutet Mathematik hauptsächlich inhaltsloses Manipulieren von Zahlen- und Buchstabenausdrücken. Diese Probleme kenne ich auch Österreich.

In der gleichen Klasse sitzt aber auch ein völlig gelangweilter Student, der gelegentlich Fragen zu nicht-Lebesgue-messbaren Mengen stellt. Ich erinnere mich an die anfänglich Warnung eines Kollegen, dass die Voraussetzungen der StudentInnen am College sehr unterschiedlich sind, wie wahr.

Mittwoch, Februar 18

Mountain Dew

"Sprite" kann man als eine Arte weiterentwickelte Limonade betrachten, auch wenn das mit echten Zitronen nichts mehr zu tun hat. Selbst Coca-Cola geht auf ein Getränk zurück, das man ursprünglich aus natürlichen Zutaten herstellen konnte.

Jede noch so giftig bunte Süßigkeit, jede noch künstliche Limonade hat ihren Ursprung in etwas Natürlichem. Jede? Nein, es gibt auch so wundervolle Geschmacksrichtungen wie "Schlumpf". Wer kennt nicht die blau-transparenten Haribo-Schlümpfe? In Österreich kann man im Sommer gelegentlich auch Schlumpf-Eis finden, eine besondere Spezialität! Aber woraus wird Schlumpf-Aroma gewonnen?

Auch die Amerikaner haben ein solch großartiges Produkt: "Mountain Dew" ("Bergtau"). Eine giftig grün-gelbliche Limonade, die nach irgendwelchen undefinierbaren Chemikalien schmeckt. Der einzige naturnahe Inhaltsstoff ist vermutlich Zucker. Aber an was soll das Mountain Dew-Aroma erinnern? Verpackung und Farbe erinnern am ehesten an ein Geschirrspühl- oder Waschmittel. Auch das dynamische Label in Rot und Grün mit einer sich sausend drehende Spirale wirkt wie ein Wirbelwind, der kommt und alles sauber macht.

Ein Zitat von Wikipedia: "...dentists and health experts warn that Mountain Dew has high amounts of caffeine, sugar, and artificial ingredients that can lead to serious tooth decay and other serious health conditions." Mountain Dew hat einen auch im Verhältnis zu anderen Limonaden beeindruckenden ph-Wert von 3.1. Das liegt irgendwo zwischen Essig und Zirtonensaft. Ein solcher Säurewert in einem Gewässer wäre auch für ausgewachsene Fische tödlich.

Nichtsdestotrotz ist dieses Getränk durchaus populär. Ich kann mich zum Beispiel noch an das junge Brüderpaar aus Oklahoma erinnern, mit denen ich mir in einem Hostel ein Zimmer geteilt habe. Die sind für ein Wochenende nach New York geflogen um sich am Broadway "Mary Poppins" und "The Little Mermaid" anzusehen. Und nach den Vorführungen haben zu einem Sack voll MacDonalds-Essen eine 2-Liter Flasche Mountain Dew getrunken.

Montag, Februar 16

Fairway

Wenn ich zwei Blocks von meiner Wohnung entfernt die 138te Straße hinunter zur Westküste von Manhatten gehe, dann führt der Weg nach einer kleinen Unterführung links erst an ein paar Lokalen vorbei und verschwindet dann in einem Gewirr aus Baustellenabsperrungen und kaum genutzten umzäunten Park- und Abstellflächen. Hoch darüber eine tolle alte Metallkonstruktion mit imposanten Bögen, welche den Riverside Viaduct Drive trägt. Parellel dazu bilden die Autobahn, Eisenbahntrasse und zwei weitere Straßen hoch oben ein Dach auf unzähligen Betonpfeilern. Und irgendwo im finsteren Schatten der Autobahn versteckt sich in einer großen orangen Lagerhalle einer der best sortiertesten Supermärkte, die mir je untergekommen sind: "Fairway". Hier findet man alles, was gut und teuer ist. Internationale Wurstwaren, eingelegte italienische Pilze, die besten französischen Käsesorten, ob aus Schaf-, Ziegen- oder Kuhmilch, alles in großer Auswahl und aus aller Herren Länder. Und im Kühlregal der Milchwarenabteilung - eine Sensation - isländischer Skyr! Ein topfenähnliches Joghurt, mit hohem Proteingehalt und kaum Fett. Allerdings habe ich diese Skyr-Marke in Island noch nie gesehen. Das ist vermutlich ähnlich wie mit dem australischen Bier "Fosters". Das ist in Australien auch so gut wie nicht erhältlich. Und im Kaffeeregal - oh Schreck - Kaffe von Julius Meinl! Eine gute Idee, jetzt mit Meinl auf Export zu setzen, denn in Österreich wurde dieser Markenname nachhaltig ruiniert.

Donnerstag, Februar 12

Wellensittiche und Tauben

Heute bin ich nach ein paar Wochen Hostelleben in eine Wohnung gezogen. Sie gehört einer Opernsängerin, die für ein paar Wochen nach Los Angeles fliegt. Den seltsamen Stimmübungen zufolge, die aus der Nachbarwohnung trällern, ist sie aber nicht die einzige Sängerin im Haus. Die Wohnung ist, wie es sich für einen Opernsängerin gehört, mit altmodischen Stilmöbeln eingerichtet, und außerdem sehr hell. Ich fühle mich recht wohl hier. Teilen muss ich sie mir nur mit einem Wellensittichpärchen, das meistens frei in der Wohnung fliegen darf. Aber das stört mich als alten Papageienfreund gar nicht, ganz im Gegenteil. Besonders gerne baden sie in der Abwasch unter einem laufenden Wasserhahn. Gemüse und Obst essen sie nur in sehr bescheidenen Mengen. Sie bevorzugen das mit Vitaminen, Mineralstoffen und sonstigem Zeug versetzte Körnchenfastfood. Es sind eben doch amerikanische Wellensittiche.

Die Wohnung liegt im sechsten und obersten Stock eines typischen New Yorker Wohnhauses aus Backsteinen und mit eiserner Feuerstiege an der Außenwand. Draußen auf den Fensterbänken, ob Wohnung oder Stiegenhaus, sitzen den ganzen Tag gurrende und stinkende Flugratten herum, was insofern ein Problem ist, weil beim Lüften der Taubenkotgeruch ins Haus strömt. Dabei wäre es ein leichtes, z.B. Drähte so zu montieren, dass sie dort nicht landen können. In Sachen Installationen ist Amerika generell ein Entwicklungsland. Die Dusche baumelt an einer langen Stange von der Decke und man wundert sich, dass aus dieser Konstruktion überhaupt irgendetwas herauskommt. Was herauskommt, ist allerdings braunes Rost-Wasser. Nach ein bis zwei Minuten wird das Wasser dann klar und man kann sich duschen. Die Vermieterin hat mich aber eindringlich gewarnt, ich möge den Duschstrahl so richten, dass ich jederzeit sofort auf die Seite springen kann, falls der Nachbar einen seiner Wasserhähne aufdreht. Denn kommt statt einem angenehm warmer Wasserstrahl von 40 Grad plötzlich Wasser mit kochend heißen 70 Grad aus der Duschkonstruktion.

Das Haus ist in Morningside/West-Harlem, 140te Straße, nicht weit vom Meer entfernt. Hier ist die Durchmischung mit Menschen mit unterschiedlichem ethnischen Hintergrund stärker als in Central-Harlem, wo ich die ersten Wochen gelebt habe. In West-Harlem leben einige Hispanics. Aber es ziehen auch immer mehr Weiße in diese Gegend. Sie ist sicher, ruhig, zentrumsnahe, hat eine gute Infrastruktur und gute Anbindung an das U-Bahnnetz. Es scheint hier eine ähnliche "centrification" vor sich zu gehen wie im Brunnenviertel in Ottakring.

Aber auch in Central Harlem sieht man mehr Weiße, als angeblich noch vor einigen Jahren. Ganz Harlem ist im Laufe der letzten 10 Jahre ziemlich sicher geworden. Das erzählen nicht nur die Leute, die hier schon länger wohnen, sondern das entspricht auch meinem persönlichen Eindruck. Vor allem Menschen mittleren Alters ohne Kinder ziehen hierher. Es gibt viele Grundschulen in der Gegend und man sieht ständig Schulklassen unterwegs auf der Straße. Aber mir ist in vier Wochen erst ein einziges weißes Schulkind aufgefallen. Die Afro-AmerikanerInnen erlebe ich überwiegend als sehr freundlich und man kommt mit ihnen leicht in Kontakt. Bei den Hispanics ist es manchmal etwas anders. Vielleicht liegt es daran, dass sie zum Teil nicht Englisch sprechen können oder wollen. Die meisten Latinos leben in Ost-Harlem, dem sogenannten Spanish-Harlem. Was ich besonders lustig finde, sind die Spanish-Supermarkets, dort läuft den ganzen Tag laute Latino-Musik, Shopping wie auf einer Party.

Dienstag, Februar 10

IngenieursstudentInnen

Als ich zum ersten mal ein altes Final (Abschlussprüfung) für IngenieursstudentInnen gesehen habe, hat mich fast der Schlag getroffen. Die Beispiele sind schwierig und aufwendig. Und diese Prüfung muss ja an die drei oder vier Stunden dauern! Zwölf Aufgaben, teilweise lange Rechnungen, dreidimensionale Kurvenintegrale in Vektorfeldern, Doppelintegrale, Gleichungssysteme usw. Noch erstaunter war ich, als ich heute erfahren habe, dass die Studierenden gerade einmal gut zwei Stunden dafür Zeit haben. Einer meiner Ingenieursstudenten, kein Genie, aber sicher ein braver und fleißiger Student, wiederholt diesen Kurs gerade. Wenn er jetzt zum zweiten mal ein "D" (in etwas "Genügend") bekommt, muss er sein Studium abbrechen. Zur Prüfung ist er letztes Jahr mit einem "B minus" angetreten. Leider war er im Final nicht schnell genug und konnte nur die Hälfte der Beispiel rechnen. Daraufhin ist er auf ein "D" abgesackt. Mich wunder nicht, dass die Studierenden eine Lerndisziplin haben, von der man in Österreich nur träumen kann. Und mich wundert jetzt auch nicht mehr, dass ich hier schon den Ruf als besonders netter und leichter Professor habe.

Ursprünglich bin ich davon ausgegangen bin, dass die Studierenden circa zwei bis maximal drei Kurse belegen. Entsprechen habe ich die Hausübungen dimensioniert. Mittlerweile habe ich aber herausgefunden, dass die Studenten mindestens vier, in der Regel fünf solcher Kurse gleichzeitig belegen. Und trotzdem hat sich heute einer der Studenten bei mir bedankt: "Thank you for not giving us a hard time."

Am MIT gibt es ein Sprichwort: "Sleeping, studying, friends. - From this you can choose two." ("Schlafen, Studieren, Freunde. - Davon kannst du dir zwei Dinge aussuchen.")

Die StudentInnen in meinem Kurs über Wahrscheinlichkeitstheorie sind nicht ganz so harte ArbeiterInnen wie IngenieursstudentInnen, aber durch die Bank fleißig und sehr motiviert. Einer ist mit einem Buch über "Musik und Mathematik" in meine Sprechstunde gekommen, weil er Fragen zu einer gewissen Verteilungsfunktion gehabt hat. Diese Buch liest er aus Spaß in seiner Freizeit. Ein anderer hat vor lauter Freude darüber, dass er schon nach einer Stunde mit der Hausübung fertig war, alle Beispiel aus den ersten drei Kapiteln des Lehrbuchs gerechnet (zusammen ca. 120), und hat dabei doch eines entdeckt, dass er nicht geschafft hat. Ein dritter hält sich für ein jung-Genie (bzw. tun das seine Eltern) und muss sieben Kurse gleichzeitig belegen. Das sind 21 Theoriestunden plus mindestens 30-40 Stunden für Hausübungen, Bücher lesen und Prüfungsvorbereitung, wahrscheinlich viel mehr. Er ist sicher besser als die meisten seiner KollegInnen, aber ich denke, man muss seinem Hirn auch Zeit zum Arbeiten geben, um neues richtig zu verdauen zu können und speziell wenn es um mathematische Kreativität geht. Zumindest was das langsame Tempo betrifft, war ich immer sehr vorbildlich. Für ein billiges Mathematikstudium in Salzburg von ca. 110 Wochenstunden habe ich insgesamt satte 16 Semester gebraucht. Halbwegs begabte und fleißige Studierende schaffen das ohne Aufwand in 9-10 Semester. Das "jung-Genie" hätte so ein Studium in Salzburg bei seinem Tempo inklusive Dimplomarbeit in 6 Semester geschafft.

Montag, Februar 9

Oats

Mein mitgebrachtes Basisflockenmüsli ist schon längst aufgebraucht. Ich bin jetzt auf Oats umgestiegen. Das sind Haferflocken, die man einfach mit halb Milch halb Wasser weichkocht. Vermutlich ist dasselbe, was die Briten "Porridge" nennen. Es gibt solche, die man nur einmal aufkochen muss, und andere, die man 5-10 Minuten köcheln lässt, am einfachsten in der Mikrowelle. Ich habe die Standard Oats, meistens gebe ich etwas Marmelade dazu, wegen des Geschmacks. Man kann sie aber auch mit Dörräpfeln, Trockenbeeren, Zimt oder sonstigen Dingen versehen kaufen, dann oft portionsweise in kleinen Beuteln abgepackt. Auch während meiner Zeit in Australien habe das öfters zum Frühstück gegessen. Die Haferflocken in Österreich schmecken ein bisschen anders, und ich frage mich, ob man aus denen such ein Oats-meal machen kann?

Samstag, Februar 7

Und wieder Sonne!

Den heutigen wunderschönen, sonnigen und frühlingshaft-warmen Shabbat widme ich der jüdischen Community an der Ostküste! Wenn es sie nicht gäbe, dann gäbe es im Supermarkt kein jüdisches Brot. Und wenn es im Supermarkt kein jüdisches Brot gäbe, dann müsste ich ganze vier Monate lang ohne Brot leben. Amerikanisches Brot ungenießbar und gesundheitsschädlich. Nicht nur die ungeheuren Mengen an Backtriebmittel führen dazu, dass man aufgeht wie eine Wuchtel, sondern auch der hohe Zuckergehalt. Nach dem Verzehr einer amerikanischen Brotscheibe empfiehlt es sich die Zähne putzt, sonst fallen sie einem nach kurzer Zeit aus. Ob Bagel oder Scheibe, ob weiß oder Vollkorn, das Brot schmeckt hier einfach süß. Die größte Brotperversion ist aber das "Original German Dark Wheat Bread". Ein Weizenbrot so dunkel wie Pumpernickel. Dass Weizenbrot von Natur aus weiß ist und die dunkle Farbe vom Roggen kommt, ist ein wohlgehütetes Geheimnis. Egal, je mehr dunkle Farbstoffe desto mehr "Original German". Das jüdische Brot schmeckt in etwa wie unser normales Mischbrot, halb Weizen, halb Roggen, etwas Kümmel, und kein Zucker!

Am späteren Vormittag gehe ich ausgiebig im Central Park joggen. Die Temperaturen sind heute deutlich über Null, der Schnee schmilzt wieder. Heute hätte ich im T-Shirt laufen gehen können, bei diesem Sonnenschein. Und ich bin nicht der einzige, der heute die Idee hat im Central Park joggen zu gehen. Auf der Hauptstraße im Park tummeln sich mehr Leute als auf der Prater Hauptallee. Wer lieber alleine unterwegs ist, wählt einen der vielen Waldwege oder eine der kleinen Alleen. Ob hier schon irgendwo ein paar Schneeglöckchen mit ihrem ersten Trieb aus der Erde ragen? Noch nicht, aber sicher bald.

Freitag, Februar 6

Seminar und Chinese New Year

Heute war das erste New York Grouptheory Seminar im Graduate Center, einem schicken Hochhaus in der City. Eine gute Gelegenheit ein paar MathmatikerInnen zu treffen, die ich von diversen Konferenzen her kenne, und vor allem neue Leute kennenzulernen. Was sich hier im Publikum an Kapazitäten der Gruppentheorie ansammelt, ist für eine Seminarreihe wirklich beeindruckend: G. Baumslag, A. Miasnikov, V. Shpilrain, und 40 weitere zum Teil hochrangige ExpertInnen. Solche Ansammlungen an Kompetenz kenne ich sonst nur von internationalen Konferenzen. Der Vortag selbst war inhaltlich und didaktisch so, dass ich nun enspannt und mit Vorfreude meinem eigenen Vortrag in diesem Seminar in drei Wochen entgegenblicke. Details zu erwähnen erspare ich der Vortragenden.

Anschließend mache ich mich auf den Weg zum Alumni-Treffen der asiatischen AbsolventInnen anlässlich der chinesischen Neujahrsfeierlichkeiten. Schon beim Aussteigen aus der U-Bahn, ist mir klar, dass ich mitten in der China Town bin - ich bin der einzige nicht-Asiate. Auch auf der Straße ausschließlich Chinesen. Die vielen kleinen Shops am East-Broadway erinnern mich an Taipei, nur kommen hier wohl die meisten Leute aus Festland-China. Um ein halbe Stunde zu überbrücken, setze ich mich in eine Bäckerei. Fünf junge Damen dicht gedrängt hinter der Theke starren mich gleichzeitig an. Auch das erinnert mich an eine Situation vor ein paar Jahren in Taipei: Erst eine Weile verlegenes Mauscheln und Diskutieren, bis dann doch eine der fünf sich der Herausforderung stellt eine Bestellung in englischer Sprache entgegen zu nehmen. Mit dem Finger irgendwo auf die Karte zu zeigen, hätte nämlich nicht funktionieren, denn die Karte gibt es nur auf chinesisch. "Can I have a coffee?", war doch halb so schwer.

Nachdem mein Name offenbar durch einen Organisationsfehler nicht auf der Gästeliste des Alumni-Treffens war, werde ich nicht zu den anderen MathematikerInnen sondern an den Tisch Nummer 1, den "President-table" gesetzt. Ich bin etwas enttäuscht, weil ich nicht zur Rechten des Präsidenten Platz nehmen darf. Es gibt nämlich gar keinen Präsidenten an meinem Präsidententisch, der ist heute leider zu Hause geblieben.

Die asiatische Soul-Band ist gut, das chinesische Essen ebenfalls, Alkohol gibt es interessanter Weise keinen. Meine SitznachbarInnen sind durchaus interessante Persönlichkeiten: Ein Literatur-Professor, ein Professor für Filmproduktionen und Flim-theorie, und eine sehr gepflegte ältere Dame, die sich als persönliche Freundin von Benita Ferrero-Waldner herausstellt. Die stundenlange Ansprachen, Preisverleihungen und Geschichen aus der aisatischen Community am City College lassen leider wenig Zeit für Privatunterhaltungen. Während die Mehrheit der Anwesenden sich auf einen längeren Abend einstellen, verlässt ein Großteil meines Tisches unmittelbar nach der Nachspeise vorzeitig das Geschehen, so auch ich.

Donnerstag, Februar 5

Feedback

Als ich mich letzten Dienstag entlang von irgendwelchen Kurven durch sinnlose dreidimensionale Vektorfelder integriert habe, sind mir doch glatt zwei Schlampigkeitsfeheler unterlaufen. Das sollte eigentlich nicht passieren. Bei Ingenieuren spielt das tatsächliche Rechenergebnis im Gegensatz zur reiner Mathematik angeblich eine Rolle. Was sich die StudentInnen wohl über mich denken? Ich will mir nicht bei der Evaluierung nachsagen lassen, dass ich eine miese Performance abliefere. Noch dazu gehen mir diese Ingenieursrechnereien ja grundsätzlich auf die Nerven. Ob sie mir meine gespielte Begeisterung abnehmen? Ach was, sollen sie sich nur über mich beschweren, hier gibt es eh keine Stellen, für die ich mich bewerben könnte. Jedenfalls habe ich mir heute vorgenommen noch langsamer an der Tafel zu rechnen, als ich das ohnehin schon normalerweise mache, um die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass ich irgendwo wieder eine Rechnung vermurkse. Und wer weiß, wann die unangemeldete Unterrichtsinspektion auftaucht, die sich dann in die letzte Reihe setzt und kritisch Protokoll führt. Damit muss ich jeden Tag rechnen.

Fast nach jeder Vorlesung, ob Wahrtscheinlichkeit oder Analysis, bleiben noch ein paar Studierende und diskutieren und stellen Fragen. So auch heute, etwa fünf Studenten gehen sogar noch mit in mein Büro um Hausübungsbeispiele zu besprechen. Am Ende meint einer der Studenten beim Hinausgehen ungefragt, "Thank you, you know, you are kind of the best professor we ever had at the College." Und überhaupt, flüstert er, die meisten Vortragenden hier seien alle eine Katastrophe. Bumm. Wenn der wüsste, was für eine Freude er mir gerade gemacht hat. Das gibt Motivation.

Die Studierenden hier am City College kommen mehrheitlich aus sozial benachteiligten Schichten. Jene, die es bis in die fortgeschrittene Semester geschafft haben, versuchen sich mit einer Disziplin und einem Einsatz nach oben zu arbeiten, den ich von Österreichischen Universitäten her nicht kenne. Ich denke, es ist eine besonders ehrenvolle und verantwortungsvolle Aufgabe gerade mit diesen jungen Leuten zu arbeiten. In Österreich spielt nur der Forschungsoutput bei Bewerbungen eine Rolle. Lehrleistung wird nicht honoriert.

Normalerweise dürfen Gastprofessoren unterrichten, was sie wollen. Und schon gar nicht werden ihnen fortgeschrittene Vorlesungen umgehängt, die nicht ihrem Spezialfach entsprechen. Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir aber, warum dies hier anders ist. Die wenigsten der Hilfslektoren (adjuncts) haben ein PhD. Wer eine halbwegs professionelle und umfassende Ausbildung als Mathematiker hat, muss fortgeschrittene Semester betreuen. Professoren kann man nicht für "Elementary Algebra" oder "Bridge to Higher Mathematics" einsetzen, denn die sind teuer, gerade für ein öffentliches College. (Und sie verdienen auch mehr als in Österreich).