Donnerstag, Februar 5

Feedback

Als ich mich letzten Dienstag entlang von irgendwelchen Kurven durch sinnlose dreidimensionale Vektorfelder integriert habe, sind mir doch glatt zwei Schlampigkeitsfeheler unterlaufen. Das sollte eigentlich nicht passieren. Bei Ingenieuren spielt das tatsächliche Rechenergebnis im Gegensatz zur reiner Mathematik angeblich eine Rolle. Was sich die StudentInnen wohl über mich denken? Ich will mir nicht bei der Evaluierung nachsagen lassen, dass ich eine miese Performance abliefere. Noch dazu gehen mir diese Ingenieursrechnereien ja grundsätzlich auf die Nerven. Ob sie mir meine gespielte Begeisterung abnehmen? Ach was, sollen sie sich nur über mich beschweren, hier gibt es eh keine Stellen, für die ich mich bewerben könnte. Jedenfalls habe ich mir heute vorgenommen noch langsamer an der Tafel zu rechnen, als ich das ohnehin schon normalerweise mache, um die Wahrscheinlichkeit zu minimieren, dass ich irgendwo wieder eine Rechnung vermurkse. Und wer weiß, wann die unangemeldete Unterrichtsinspektion auftaucht, die sich dann in die letzte Reihe setzt und kritisch Protokoll führt. Damit muss ich jeden Tag rechnen.

Fast nach jeder Vorlesung, ob Wahrtscheinlichkeit oder Analysis, bleiben noch ein paar Studierende und diskutieren und stellen Fragen. So auch heute, etwa fünf Studenten gehen sogar noch mit in mein Büro um Hausübungsbeispiele zu besprechen. Am Ende meint einer der Studenten beim Hinausgehen ungefragt, "Thank you, you know, you are kind of the best professor we ever had at the College." Und überhaupt, flüstert er, die meisten Vortragenden hier seien alle eine Katastrophe. Bumm. Wenn der wüsste, was für eine Freude er mir gerade gemacht hat. Das gibt Motivation.

Die Studierenden hier am City College kommen mehrheitlich aus sozial benachteiligten Schichten. Jene, die es bis in die fortgeschrittene Semester geschafft haben, versuchen sich mit einer Disziplin und einem Einsatz nach oben zu arbeiten, den ich von Österreichischen Universitäten her nicht kenne. Ich denke, es ist eine besonders ehrenvolle und verantwortungsvolle Aufgabe gerade mit diesen jungen Leuten zu arbeiten. In Österreich spielt nur der Forschungsoutput bei Bewerbungen eine Rolle. Lehrleistung wird nicht honoriert.

Normalerweise dürfen Gastprofessoren unterrichten, was sie wollen. Und schon gar nicht werden ihnen fortgeschrittene Vorlesungen umgehängt, die nicht ihrem Spezialfach entsprechen. Je länger ich darüber nachdenke, desto klarer wird mir aber, warum dies hier anders ist. Die wenigsten der Hilfslektoren (adjuncts) haben ein PhD. Wer eine halbwegs professionelle und umfassende Ausbildung als Mathematiker hat, muss fortgeschrittene Semester betreuen. Professoren kann man nicht für "Elementary Algebra" oder "Bridge to Higher Mathematics" einsetzen, denn die sind teuer, gerade für ein öffentliches College. (Und sie verdienen auch mehr als in Österreich).

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen