Freitag, Jänner 16

Erster Tag an der Uni

Heute gehe ich zu Fuß zur Uni, das dauert etwa ein halbe Stunde, ich will die Gegend auskundschaften. Fast jedes Geschäft hat hier ein Obama-Poster in der Auslage. Manche haben fast religiöse Züge, z.B. das Poster mit der Dreifaltigkeit: Unten links in klein Martin Luther King, unten rechts in klein John F. Kennedy, darüber strahlend in groß: Barack Obama.

Der Campus ist sehr OK, ein paar neugothische Gebäude, wie es sich im englischsprachigen Raum für eine Uni mit Geschichte gehört, und dazu einige Neubauten. Zuerst bekomme ich einen Security-Pass, und da steht es nun Schwarz auf Weiß: "Professor". Ob auf der amerikanischen Botschaft oder beim Zoll in Wien am Flughafen, ein "Assistent" ist einer der kopieren geht und Kaffee kocht. "Dann sind Sie also Dozent?" - "Nein, auch kein Dozent." - "Ach so, Sie studieren." - "Nein, ich bin Assistent." Der österreichische Zollbeamte gibt verwirrt auf. Den Amerikanischen Behörden erzählt man solche Geschichten besser nicht, sonst gibt es Komplikationen.

Die Leute auf der Uni am City College sind sehr freundlich und zuvorkommend. Am 20. Jänner möge ich unbedingt in die Great Hall kommen. Die Uni lädt ein zu einer Feier mit Buffet und Drinks, anlässlich des historischen Tages, die Angelobung. Von einer Uni erwartet man sich in Österreich, dass sie parteipolitisch neutral ist. Das scheint hier nicht so zu sein. Das City College wird manchmal das "Harward der Farbigen" genannt, eine öffentliche Uni, die damit wirbt, dass sich hier Menschen aus unterprivilegierten Schichten nach oben arbeiten und den amerikanischen Traum verwirklichen können. Wo, wenn nicht hier, wird Obama gefeiert.

Am Campus liegt die aktuelle Ausgabe der Uni-Zeitung "The Paper" auf, "Medium for people of African descent". Die ist zu zwei Drittel voll mit Artikeln über Obama, seine Famile, Berichte von den Jubelszenen in der Wahlnacht auf Harlems Straßen, Obama-Buch-Empfehlungen, alte Geschichten aus der Vergangenheit, z.b. über Leben und Wirken von D.W. Griffith, einer der Gründer des Ku Klux Klans.

Ich freue mich schon auf den 20. Und jetzt, da das Rennen gelaufen ist, kann ich auch zugeben, dass ich im Zuge des Vorwahlkampfes gegen Clinton 20$ an das Team von Obama gespendet habe. Offiziell dürfen keine Gelder aus dem Ausland angenommen werden. Ich habe einfach meine alte Urlaubsadresse aus Colorado angegeben. Irgendwie habe ich schon damals das Gefühl gehabt, dass er es schaffen könnte, auch wenn viele geunkt haben, dass nur Hillary Clinton gegen MacCain gewinnen könne.

Für mich spielt es keine Rolle, welche Hautfarbe Obama hat. Der Punkt ist, dass er einiges im Kopf hat. Ob er es umsetzen wird können, muss sich erst zeigen. Aber ich habe Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit der amerikanischen Gesellschaft. Vor Kurzem haben die Österreicher die Amerikaner noch ausgelacht, weil sie einen Mann wie George W. Bush zum zweiten mal zu ihrem Präsidenten gemacht haben ("gewählt", hat man mir einmal in Colorado erklärt, sei der falsche Ausdruck). Dass knapp die Hälfte der Amerikaner ihm ein zweites mal ihre Stimme gegeben haben, war in der Tat eine sehr erstaunliche Begebenheit. Wir hatten mit Gusenbauer einen promovierten Intelektuellen als Kanzler, die Amerikaner George W. Bush. Da lässt es sich leicht spotten. Jetzt wird Obama als Präsident angelobt, und wir haben Werner Faymann als Bundeskanzler. Hochmut kommt vor dem Fall. Und während in den USA ein Farbiger Präsident wird, erzählt der neue Landeshauptmann von Kärnten einen peinlich rassistischen Witz über eine "Negermama" vor versammelter Presse. Der Begriff "Alpentrottel" wurde von Joseph Roth geprägt. Ich würde mir wünschen, dass manche meiner Landsleute etwas weniger arrogant und abschätzig über Amerika sprechen würden.

In meinem Dienstvertrag steht, dass ich dazu verpflichtet bin "keine Tätigkeit aufzunehmen, die (...) dem Ansehen Österreichs abträglich ist", eine Standardvorgabe aus dem Ministerium. Ich hoffe, nicht gerade eben dagegen verstoßen zu haben. Im Grunde ist es natürlich in Ordnung, das von den "Auslandsentsandten" zu verlangen. Diese peinlichen Details der österreichischen Innenpolitik würde ich auch nicht im Ausland groß ausbreiten, und vor allem nicht auf englisch. Es schimpft sich gegenüber den eigenen Leuten einfach besser.

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