Montag, Jänner 26

Unterrichten in den USA

Es gibt stetige und diskrete MathematikerInnen. Die stetigen messen mit einem Lineal und stehen auf gebogene Linien, sich windende Flächen und physikalische Phänomene wie Magnetfelder und Luftströme. Die diskreten zählen lieber "1, 2, 3" (ganz ohne Lineal), bauen geometrische Objekte nur aus Punkterln und Stricherln und spielen gerne mit Buchstaben herum. Ich bin durchaus diskret und selten stetig.

Ursprünglich hat man mir City College, sehr zu meinem Missfallen, zwei Vorlesungen aus dem Bereich der stetigen Mathematik zugeteilt: Differentialgleichungen und mehrdimensionale Analysis. Ich kann zwar alle undergradute Vorlesungen (entspricht bei uns den Vorlesungen im Bachelor-Studium) halten, aber man hat natürlich seine Vorlieben. Die Vorlesung über Differentialgleichungen (am untersten Rand meiner Prioritätenliste) konnte ich nach vorsichtigen Protesten schließlich durch elementare Wahrscheinlichkeitstheorie ersetzen, eines meiner Lieblingsfächer. Die zweite Vorlesung über mehrdimensionale Analysis für Ingenieure bleibt mir allerdings nicht erspart.

Was mich etwas nervös macht, sind nicht fachliche Belange, sondern, dass mir das US-amerikanische System zu unterrichten vollkommen fremd ist. Vor allem das Organistarische: Syllabus, homwork-assignments, mini-exams (quizzes), text-books, mid-terms, finals, blackboard-internetplattform, Math-Department-internet-plattform... wie läft das alles im Detail nun wirklich ab? An welchen jüdischen Feiertagen darf man mini-exams abhalten und an welchen nicht? Und woher soll ich bitte wissen, welche Religionsgemeinschaft an welchen Tagen höhere Feiertage hat? Wie oft sollte man die Anwesenheit kontrollieren? Welche Konsequenzen gibt es beim wievielten mal zu spät kommen? Und die Frage aller Fragen: Welche Prüfungen dürfen die Studierenden in die blauen und welche in die rosa Prüfungshefte schreiben? Oder sind die blauen für die Manderln und die rosaroten für die Weiberln? Und bei welchen Prüfungen dürfen sie auf weißes Papier schreiben? All dies und noch viel mehr herauszufinden, war die Aufgabe meiner ersten Arbeitswoche. Aber was erwarten die Studierenden nun vom eigentlichen Unterricht?

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